Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention informiert

Für eine aufrechte Haltung und vieles mehr: Reiten als Sport pro Gesundheit

 

In Deutschland gibt es etwa 1,6 Millionen Menschen, die reiten. Davon sind (nur) etwa 81.500 Turnierreiter – aber der Spitzensport in den Disziplinen Dressur, Springen und Vielseitigkeit prägt das Bild vom Reiten in der Öffentlichkeit. Hier jedoch geht es um jene, die aus Liebe zum Pferd und zur Natur – das war das meist genannte Motiv einer Fragebogenaktion (IAS 1995 n=1800) – ihre Freizeit auf dem Rücken der Pferde verbringen. Und mehr als die Hälfte der Befragten gab als weiteren Grund an „…weil dieser Sport so gut tut!“ Was also charakterisiert unter gesundheitlichen Aspekten das Reiten? Wieso kann eine sportliche Betätigung, die dem Spitzensportler und Profi durchaus starke körperliche Belastungen abverlangt, unter den Bedingungen des Freizeitsports so fördernd auf
Wohlbefinden und Leistungsvermögen, auf Entspannung und Regeneration von der Alltagsanforderung einwirken?

Das Besondere am Reiten ist die partnerschaftliche Kooperation mit einem anderen Lebewesen, die neben der gemeinsamen sportlichen Aktion auch dessen Betreuung einschließt. Das eine bewirkt physiologische (biologische) Reaktionen, das andere ermöglicht tiefe und vielseitige Facetten der gegenseitigen emotionalen Zuwendung, was zu psychologisch und sozial günstigen Effekten führt. Zu beiden Wirkbereichen gibt es wissenschaftliche Studien, die jene typischen sportartspezifischen Wirkmechanismen für die Gesundheitsförderung objektiv belegen.

Die Aktivität Reiten wirkt sich auf den ganzen Menschen aus: den Stütz- und Bewegungsapparat, die Herz-, Kreislauf-, Atmungs- und Stoffwechselreaktionen, das Nervensystem und die Psyche. Da sind die in ständigem Wechselspiel ablaufenden Muskelaktionen des gesamten Körpers, die Oberkörper, obere und untere Extremitäten beanspruchen. Dies führt zu intensivem Haltungs- und Bewegungstraining mit gut dosierbaren Anforderungen an Ausdauer, Kraft und insbesondere Koordination in allen Varianten: Körperwahrnehmung und Bewegungsgefühl, Balance und Reaktion, Rhythmus und Raum- Lage-Orientierung, um nur einige der wichtigsten zu nennen. Schon die Grundhaltung des Sitzens zu Pferde ist eine ideale Ausgangsstellung für die aufrechte Haltung, die durch die typischen Bewegungsimpulse aus dem Pferderücken in den verschiedenen Gangarten abwechslungsreich geschult und gefördert wird. Zusätzlich wirkt der Reiter aktiv mit körpersprachlichen Signalen auf das Pferd ein, zum Beispiel mittels fein abzustimmendem muskulären Druck oder Gewichts- und Gliedmaßenverlagerungen. Das ist Beweglichkeits- und Bewegungsschule von einfach bis hochsensibel. Das Erlebnis daraus resultierender Harmonie mit
dem animalischen Partner ist einzigartig.

Der heutigen technisierten Umwelt mit den häufig beklagten Stressfaktoren im Berufs- und Privatleben (z.B. Burnout-Problematik) kann Umgang und sportliche Betätigung mit Pferden ein ausgleichendes Gegengewicht bieten. Von besonderem Vorteil ist die Tatsache, dass Reiten eine „Lifetime-Sportart“ ist, die generations- und geschlechtsübergreifend durchgeführt werden kann: vom Kind bis zum betagten Senior, Mädchen und Jungen, Frauen und Männer, allein oder in der Gruppe. Sie ist trotz körperlicher Einschränkungen oder gesundheitlicher Beschwerden zu leisten. Das ermöglichte die Etablierung als vom Arzt verordnete Therapie in den seit Jahren erfolgreich durchgeführten Formen des sogenannten „Therapeutischen Reitens“ für Menschen mit Behinderung
oder chronischen Erkrankungen.

Davon abgegrenzt mit der Zielrichtung auf Prävention wurde seit der Einführung des Gesundheitssportes 1995 auch das „Reiten als Sport pro Gesundheit“ für verschiedene Zielgruppen entwickelt und evaluiert inklusive der Fortbildung qualifizierter Übungsleiter.

Heute stehen attraktive Angebote bis hin zu mit dem DOSB Qualitätssiegel zertifizierten zur Verfügung; mit zwei besonderen Vorteilen: Reiten als Gesundheitssport (RGS) kann auch in strukturschwachen Gebieten als präventivmedizinische Maßnahme angeboten werden. Durch den starken Anreiz über das Pferd gelingt es häufig, auch jene zur Gesundheitsförderung durch Bewegung zu aktivieren, die durch andere Maßnahmen nicht zu motivieren waren.

Damit die aufgezeigten positiven gesundheitlichen Auswirkungen erzielt werden können, sind Voraussetzungen zu erfüllen: gut geschulte Ausbilder und korrekt ausgebildete Pferde, fachlich einwandfreie Methodik, die individuell anzupassen ist, dazu geeignete Ausrüstung und Reitanlagen. So durchgeführt ist auch das im Vergleich zum Leistungssport als absolut gering einzustufende Restrisiko sicher zu beherrschen. Es sei auch hier darauf hingewiesen, dass vor erstmaliger
körperlicher Betätigung in höherem Alter eine sportärztliche Beratung generell angezeigt ist.

Dr. Sportwiss. Christine Heipertz-Hengst, Frankfurt am Main
(C. Heipertz-Hengst ist Pädagogin, Sportwissenschaftlerin und -therapeutin mit Promotion der Deutschen Sporthochschule Köln 1984 in den Fächern Sportmedizin und Prävention / Rehabilitation. Nach vielen Jahren der Tätigkeit im Therapeutischen Reiten sind die aktuellen Arbeitsschwerpunkte: Training und Leistungsdiagnostik von Pferd und Reiter, Rehabilitations- und Präventionssport – hier Initiatorin des „Reitens als Gesundheitssport“. Sie ist als Dozentin und in Forschungsprojekten tätig, aktive Reiterin und Amateurreitlehrerin/Trainer A/FN und leitet das IAS Institut für angewandte Sportwissenschaften.)

Auskunft erteilt:
Dr. Christine Heipertz-Hengst
Telefon: 06195-73967
E-Mail: heipertz-hengst@em.uni-frankfurt.de
www.ias-institut.com

Pressemeldung [PDF]

Infos zum Gesundheitssport mit Pferden

Broschüre: Gesundheit aufs richtige Pferd gesetzt

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(Landessportbund Hessen e.V.)
https://www.landessportbund-hessen.de/[/two_third]