Der Sport in Rot
Reiten hinter den Hunden ist eine der ältesten Formen der Jagd. Seit der Mensch Hunde domestiziert hat, nutzte er sie zum Jagen, seit er das Pferd gezähmt hat, nutzte er es als Transportmittel auf der Suche nach Nahrung. Jagen hinter Hunden war zunächst Notwendigkeit, später Zeitvertreib für Kaiser und Könige und ihre Edelinge. Wenn an einem Jagdtag im Herbst die roten Röcke der Reiter durch den Nebel leuchten, das Dröhnen der Pferdehufe und das Geläut der Hundemeute zu hören ist, dann werden Bilder aus vergangenen Jahrhunderten wieder lebendig. Rund 5000 Reiter sind heute in Deutschland als bekennende Jagdreiter ein- bis zweimal wöchentlich hinter den Hunden von 22 Meuten und Schleppjagdvereinen unterwegs, die der Fachgruppe Jagdreiten im Deutschen Reiter- und Fahrerverband angeschlossen sind.
Die Schleppjagd in Deutschland heute verläuft unblutig. Jagen auf lebendes Wild ist bereits seit den 30er Jahren gesetzlich verboten. Statt dessen laufen die Hunde auf einer künstlichen Fährte (dem„Scent“) und werden am Ende mit einem Stück Pansen (bei der feierlichen „Curée“ nach dem „Halali“) belohnt. Die Schleppe wurde früher gelegt mit Hilfe eines in Fuchslosung getränkten Schwamms oder einer mit einem Balg gefüllten Drahtkugel, die der Schleppenleger zu Pferd an einer Schnur hinter sich herzog. Heute hat der Schleppenleger einen Tropfkanister hinter dem Sattel aufgeschnallt und legt so die Fährten im Gelände. Je naturnaher das gelingt, desto authentischer ist das Jagderlebnis. Die Reiter folgen quasi als Zuschauer und Beobachter. Fuchslosung wird immer noch verwendet, aber manche Meuten ziehen Heringslake oder Anislösung vor. Einige Meuten jagen auch auf Trittsiegel eines bestimmten Pferdes („clean boot“).
Tradition und Bräuche
Schleppjagd heute ist Sport und Freizeitvergnügen, aber auch die Pflege von Traditionen und altem Kulturgut. Der Hintergrund der Schleppjagd in Deutschland ist international geprägt und das schon lange vor dem Jagdverbot von 1934. Man folgt englischen Traditionen und französischen Zeremonien und Musik-Signalen, die aus der Hirsch- und der Parforcejagd des Mittelalters stammen. Ein Teil des Brauchtums ist auch aus der grünen Jagd entlehnt. So erhalten die Teilnehmer einer Jagd im Anschluss an den Ritt und nach der Belohnung der Hunde vom Jagdherrn oder seiner Dame einen „Bruch“ als Andenken überreicht.
Vor dem Hubertustag (3.November) besteht er aus einem Eichenzweig, danach aus Fichte. Jedes, auch manches heute unverständlich oder überflüssig erscheinende Detail, lässt sich aus der Jahrhunderte währenden Geschichte der Jagd erklären. Der rote Rock ist nicht Angeberei oder Karnevals-Relikt, sondern diente dazu, die Jagdteilnehmer im Wald oder im Nebel besser sichtbar zu machen. Das aufwändig gebundene Plastron kann im Bedarfsfall gleich als Bandage für Verletzungen bei Pferd oder Reiter genutzt werden.
Die „Curee“, bei der die Hunde abschließend mit Rinderpansen belohnt werden, ist keine Fütterung sondern symbolisiert den Anteil, den die Hunde bei der Jagd auf lebendes Wild bekamen.
Die Jagdreiterei in Deutschland hat ihre Grundlagen spätestens seit der Wende zum vorigen Jahrhundert eher in der Ausbildung von Pferden für die Kavallerie als in der Erlegung von Wild. In England reitet man – ungeachtet des „Hunting ban“ (seit 2004), um zu jagen. In Deutschland wird schon lange gejagt, um zu reiten.
Pferde und Reiter, die unerschrocken über Stock und Stein den Hunden nachsetzen, waren auch tüchtig in der Schlacht. „
In schnellem Tempo denken und handeln“, war das Motto der Kavallerieschule Hannover. Dieses Kapitel ist inzwischen abgeschlossen. Was davon jetzt noch bleibt, ist ein harmonisches Zusammenspiel von Mensch, Tier und Umwelt – heute zeitgemäßer und wichtiger denn je.
Schleppjagd und Umwelt
Gerade in einem hochentwickelten Industrieland wie Deutschland wird es immer schwieriger eine Balance zwischen Mensch, Tier und Umwelt zu erhalten. Viele Interessengruppen bewerben sich um den zunehmend knapper werdenden Raum für Sport und Freizeitgestaltung. Vor diesem Hintergrund ist die „Schwarzensteiner Erklärung“ von besonderer Bedeutung.
Am 10. Juli 2002 formulierten Vertreter aus den Bereichen der „Grünen Jagd“, Tierschutz, Naturschutz und öffentlicher Verwaltung unter Schirmherrschaft der Landrätin des Kreises Wesel, Frau Birgit Amend-Glatschnig auf Haus Schwarzenstein bei Wesel die folgende „Schwarzensteiner Erklärung“:
I. Das Jagdreiten als traditioneller Ausdruck des kultivierten Geländereitens bedeutet kein besonderes Störungspotential für Flora und Fauna.
II. Schleppjagden sind eine geordnete Art der Naturnutzung durch Reiter, Pferde und Hunde unter Berücksichtigung des Tierschutzgedankens.
III. Die Veranstaltung von Schleppjagden erfordert den Dialog zwischen allen Beteiligten und Betroffenen , wie zum Beispiel Grundeigentümern, Jagdausübungsberechtigten, öffentlicher Verwaltung sowie aus den Bereichen Naturschutz und Tierschutz. Dabei gilt besonderes Augenmerk den Belangen des Naturschutzes, wie zum Beispiel:
– eine Lebensraum angepasste Strecke;
– Beachtung spezifischer Jahreszeiten;
– Beachtung von Störempfindlichkeit der vor Ort frei lebenden Tierwelt
IV. Sofern diese Anforderungen erfüllt sind, stellt die in Deutschland traditionell ausgeübte Schleppjagd einen Gewinn für das Gemeinwohl dar.
Der Ehrenkodex der Meutehalter
Die Meutehalter in Deutschland, die der Fachgruppe Jagdreiten angeschlossen sind, unterwerfen sich einem „Ehrenkodex“, der vor Jahren gemeinsam erarbeitet und verabschiedet wurde. Er macht Aussagen zu den folgenden Themen:
- zum Selbstverständnis der Meuten,
- zur Verantwortung für Natur, Kreatur und Umwelt,
- zu dem Verhältnis zu Landeignern, Behörden und Institutionen des Natur- und Umweltschutzes.
- zu den Meuten und ihrem Verhältnis zu fremden Veranstaltern,
- zur Zusammenarbeit zwischen den Meuten und
- zu Fragen der Ausbildung und der Zucht und Haltung.