PM, 05.09.2024, alotz

Traditionsfahrer begeisterten in Celle

24 hervorragend herausgebrachte Gespanne aus dem In- und Ausland folgten der Einladung des Deutschen Traditionsfahrer Verbands (DTV) nach Celle.

Die Teilnehmer maßen sich im sportlichen Wettkampf und genossen die Atmosphäre der Pferdestadt und des Niedersächsischen Landgestüts. Bereits am Freitagabend erhielten die Aktiven im Rahmen eines Fahrerabends in der Wagenremise ihr Briefing für die kommenden Tage. Am Samstag fand die Präsentation der stilvollen Gespanne an drei Stationen, sowohl am Schloss als auch auf dem Paradeplatz des Landgestüts statt. Am Sonntagvormittag führte die Streckenfahrt rund 13 km durch die Stadt und in die nähere Umgebung. Den Abschluss bildete am Nachmittag das Kegelfahren mit verschiedenen Geschicklichkeitsaufgaben.

Den Besuchern bot sich ein buntes Bild mit einer Vielzahl an Pferderassen und Wagentypen. Neben der fachkundig und detailreich von Mark Jurd kommentierten Präsentation der Gespanne am Samstag vor dem Stadtschloss lockten besonders die Entscheidung im Rahmen des Kegelfahrens und die feierliche Siegerehrung am Sonntagnachmittag zu einem Ausflug ins Gestüt.

Die Varianten der Anspannungen reichten von Einspännern über Zweispänner bis zu den Vierspännern, auch Sonderanspannungen wie Tandem, Drei- und Fünfspänner waren vertreten. Sage und Schreibe 18 Pferde- und Ponyrassen stellten Ihre Eignung für das Traditionsfahren unter Beweis, darunter auch drei gekörte Hengste, die feinfühlig präsentiert durch Gelassenheit und Leistungsbereitschaft überzeugen konnten. So unterschiedlich die Pferde, so unterschiedlich waren die präsentierten Wagentypen, deren Baujahre eine Zeitspanne von 1860 bis 1930 umfassten. Dazu kamen einige Nachbauten und Sondergefährte.

Den Schlusspunkt der einzelnen Teilprüfungen setzte der Verein Friedensmission e.V.. Mit einer von fünf Freiberger Pferden gezogenen Friedensglocke, die aus eingeschmolzenen Waffen hergestellt wurde, machten die Aktiven auf den für 2025 anlässlich des 80jährigen Jubiläums des Endes des 2. Weltkriegs geplanten Friedenstreck von Berlin nach Jerusalem aufmerksam. Dieses herausragende Engagement wurde mit einem Ehrenpreis für die besondere Mission gewürdigt.

Sieger der Präsentation wurde Dr. Axel Geide mit einer von vier Sächsisch-Thüringischen Schweren Warmblütern gezogenen Built-up-Brake. In der Einspänner-Wertung siegte Tanja Böhlmann mit ihrem Lipizzaner vor einer Schweizer Klappwagonette. Die Zweispänner-Wertung konnte Andrzej Szewczyk mit dem Gespann von Prof. Dr. Paolo Fornara für sich entscheiden. Bei den Vierspännern hatte Klaus Ricker mit einer von KWPN-Pferden gezogenen Brake de Chasse die Nase vorn. Die Klasse der Sonderanspannungen ging einmal mehr an den Belgier Urbain van de Voorde, der seine PRE-Schimmel perfekt im Tandem vor einem Officers Cart vorstellte.

Der Sonderpreis für stilvolles Fahren ging an den Polen Ireneusz Kozlowski, der drei Orlow-Traber vor einer Roofseat Brake präsentierte. Als bester Traditions-Einsteiger wurde Alexander Berghof mit seinem Fjordhengst Silvio Skjöldson ausgezeichnet, der auch die Ponywertung für sich entscheiden konnte. Thomas Voigtmann wurde für die beeindruckende Vorstellung seines von vier schweren Warmblütern gezogenen Kurzholzwagens mit einem Sonderpreis für Gewerbegespanne geehrt.

Der Sieg in der Gesamtwertung ging an Andrzej Szewczyk, der nach seiner Karriere im polnischen Staatsgestütswesen viele Jahre lang erfolgreich die Gespanne des Grafen von der Schulenburg lenkte.  Eigentlich wollte er mit seiner Frau nur als Begleitung am CAIT Celle teilnehmen, aber als klar wurde, dass Prof. Dr. Paolo Fornara aus gesundheitlichen Gründen auf seinen Start würde verzichten müssen, nahm er spontan die Leinen der beiden Schweren Warmblutstuten in die Hand. Der vorgestellte Naturholz Jagdwagen, um 1890 von der Wagenbaumanufaktur Utermöhle in Hildesheim gebaut, stammt aus dem Rittergut Rosenthal bei Peine und befand sich ununterbrochen im Besitz der Familie Schütz zu Holzhausen die heute noch auf dem Rittergut lebt und dieses bewirtschaftet.
Paolo Fornara konnte den Wagen 2022 direkt von den ersten und einzigen Vorbesitzern erwerben und lies ihn behutsam restaurieren, wobei alle Teile aus Holz und Metall original erhalten blieben. Die Kutsche war beim Kauf in einem außergewöhnlich guten Zustand da sie immer in gleichem Besitz war, bis in die 1950er Jahren gefahren und danach lichtgeschützt in der Remise des Rittergutes Rosenthal aufbewahrt wurde. Lediglich die Polsterung war durch Mottenbefall ruiniert und musste erneuert werden, wofür Tweed nach dem ursprünglichen Muster verwendet wurde.
Der Erfolg dieses spontan zusammengestellten Gespanns verdeutlicht die beiden wichtigsten Zutaten des Traditionsfahrens: gekonntes Fahren mit gut ausgebildeten Pferden, so dass auch ein Fahrerwechsel möglich ist, und ein gut gepflegtes, behutsam restauriertes Fahrzeug.

„Das CAIT Celle war ein voller Erfolg.“ resümiert Turnierleiter und DTV-Präsident Peter Tischer, der weiterhin ausführt „Besonders erfreulich war die Anzahl der Neueinsteiger und der sich verjüngende Altersdurchschnitt der Teilnehmer. Das motiviert uns für die Zukunft!“.

 

Hintergrund:

Der Deutsche Traditionsfahrer Verband (DTV) ist ein Zusammenschluss von Gespannfahrern und Liebhabern historischer Anspannungen. Der in Deutschland als Verein eingetragene Kreis dient der Förderung der historisch überlieferten Fahrkultur, sowie der Pflege und Förderung der Kenntnis über deren Tradition, deren Kutschen und Equipagen. Die damit verbundene Geschichte, die Kultur und der frühere Gebrauch von Gespannen soll vertieft, vermittelt und nach Möglichkeit auch weiter praktiziert werden.

Zu diesem Zweck bietet der DTV Informationsveranstaltungen für Einsteiger, Fortbildungen zu verschiedenen Schwerpunkten, sowie Exkursionen zu bedeutenden Sammlungen und anderen relevanten Zielen. Höhepunkte im Jahresverlauf sind stilvolle Ausfahrten und Traditionsturniere, bei denen die historischen Gespanne durch ihre stimmige Aufmachung und korrekte Fahrweise punkten können. Die Veranstaltungen sind sowohl im In- als auch im Ausland beliebt, weshalb das DTV-Reglement mehrsprachig zur Verfügung steht. Für 2025 ist die Ausrichtung der ersten Deutschen Meisterschaft im Traditionsfahren im Rahmen des CHIO Aachen geplant.

Weitere Informationen unter www.dtv-tradition.de

 

Fotografin: Sonja Scharf